Risikofällung mit Mobilkran
Weil einige Pappeln an einem hochwasserführenden Bachufer ihre Standfestigkeit verlieren könnten, ist die Infrastruktur am ICE-Bahnhof Montabaur bedroht. Gefahr ist in Verzug! Ein Fall für Daniel Wirges und sein zwanzigköpfiges Baumpflegeteam.
Die sechs Pappeln am Einsatzort direkt hinter dem Bauhof der Gemeinde Eschelbach, einem Stadtteil von Montabaur, stehen in unmittelbarer Nähe einer Autobahnbrücke der A3, einem Strommast mit Bündelleitung, Bahngleisen und einer Fußgängerbrücke über den Aubach, der nach starken Regenfällen zu einem tosenden Gewässer angeschwollen ist. Bei einem Gewittersturm wurde kürzlich ein Betriebsgebäude des Bauhofs durch herabfallende Äste schwer beschädigt. Wenn eine der Pappeln jetzt umstürzt, wird sie sicher Teile der Infrastruktur beschädigen.
Um die Gefahr abzuwenden, hebt die Trosse eines Autokrans Hans Jürgen Hölzler in rund zwanzig Meter Höhe in die durch Astbruch instabil gewordene Pappelkrone. Der Baumkletterer hängt direkt am Kranhaken. Für solche Einsätze besitzt er neben der normalen Seilkletterausbildung die Zusatzqualifikation „Kraneinsatz in der Baumpflege“, die seit etwa drei Jahren von der Gartenbau-Berufsgenossenschaft als Arbeitsverfahren anerkannt ist. Am Boden beobachten fünf Kollegen und Firmenchef Daniel Wirges den Einstieg in den Baum. Sie kommunizieren per Sprechfunk, auch der Kranführer in dem Mobilkran ist im Funkkreis integriert. Vor dem Einstieg in die Pappel schwebt Hölzler über dem Baum und begutachtet die Krone aus sicherem Abstand. Von der Trosse läßt er sich heben, senken und zur Seite schwenken, bis der Kletterer den idealen Anschlagpunkt für die Trossenkette gefunden hat. Langsam und punktgenau seilt ihn der Kranführer dorthin ab. Dann sichert Hölzler sich im Geäst der Krone und löst sein Aufstiegsseil von der Trossenkette. Mit der Kette umschlingt er den Hebepunkt der Pappel, anschließend seilt er sich wieder auf den Boden. Dort steht Daniel Wirges mit einer Stihl MS 661 C-M mit einer langen Schiene bereit, um den Baum direkt am Stock abzusägen. Dazu muß ein Spannungsschnitt gesetzt werden, denn der Stamm hängt ja am Kran. Er wird nicht fallen und den Sägeschnitt öffnen. Bei dieser Fälltechnik unter Last gilt es, die Druck- und Zugseite richtig zu erkennen, den Baum genau zu lesen und von der richtigen Seite anzusprechen. Denn wenn der Stamm komplett abgeschnitten ist, kann er trotz der lotrechten Trossenkette, die mit dem Stamm eine Flucht bildet, vom Stock abrutschen. „Spannungsschnitte am Simulator sind Theorie, die Praxis ist immer anders“, weiß Daniel Wirges aus über dreißigjähriger Berufserfahrung. Mit Umsicht vollendet der Forstwirt den Spannungsschnitt, bis die komplette Pappel am Haken des Mobilkrans hängt und sich durch ihren Schwerpunkt etwas in Seitenlage dreht. Durch die Vibrationen der Drehbewegung prasseln Totholz und Äste herab.
250 Tonnen Traglast
Nun ist das Können des Kranführers gefragt, dessen Kranwaage für die Pappel ein Gewicht von sieben Tonnen anzeigt. Der Fahrer wirkt routiniert, ist aber nicht sehr gesprächig. Er verrät immerhin, daß er selten für Baumfällungen beauftragt wird, meistens stellt er Windräder auf. Der Kranführer wartet ab, bis sich der Stamm ausbalanciert hat und senkt ihn mit der Trosse langsam und punktgenau ab. Der Stammfuß berüht bereits wieder den Boden und stabilisiert den über zwanzig Meter langen Baum, die Krone hängt aber noch in rund zwei Meter Höhe in der Luft. Sofort beginnt das siebenköpfige Team von Baumpflege Wirges mit mehreren Stihl-Motorsägen mit der Entastung, teilweise über Kopf. Alle Stammdurchmesser bis 30 Zentimeter werden mit einem Vermeer-Hacker BC1000XL zu Hackschnitzeln verarbeitet, die stärkeren Stämme auf dem engen Einsatzort zwischen Autobahn, Bahngleisen, Aubach und Fußgängerbrücke abgelegt.
Der Liebherr-Mobilkran LTM 1250-5.1 besitzt eine maximale Traglast von 250 Tonnen bei drei Meter Ausladung. Das fünfachsige Fahrzeug wiegt 60 Tonnen und wird zusätzlich mit bis zu 88 Tonnen Ballastgewichten stabilisiert. Der Teleskopausleger läßt sich 60 Meter ausfahren, die maximale Hubhöhe beträgt 108 Meter. Als Antrieb dient ein Sechszylinder-Dieselmotor von Liebherr mit 544 PS, die Mietkosten liegen etwa bei 200 Euro pro Stunde. Daniel Wirges bietet kranunterstützte Fällungen seit rund zwei Jahren an. „Solche gefährlichen Arbeiten führen wir aber nie am Montag oder Freitag durch“, so Wirges, „weil das Unfallrisiko an diesen Tagen generell höher ist.“ Sein Fachbetrieb für Baumpflege aus Bendorf in Rheinland-Pfalz beschäftigt 20 Mitarbeiter und ist auf Problem- und Risikofällungen spezialisiert. Wirges bietet zudem zahlreiche Dienstleistungen von Baumsanierungen bis zu Wurzelfräsarbeiten und Baumkatastererstellungen an und ist auch zertifizierter Ausbilder für Seilklettertechnik sowie Schulungen für Motorsägen, Seilwinden, Hubbühnen und Kraneinsätze. [...]
Max Riemann
www.baumpflege-wirges.de
Der komplette Artikel ist in der September-Ausgabe 2017 FORSTMASCHINEN-PROFI erschienen.